Forschung SB 15 Werkstatt

Vorbereitungen für die Versuche des Bruchrumpfes

Eigentlich kein Flugzeug schafft es heutzutage in die Luft, ohne dass es vorher sein Können in Versuchen unter Beweis gestellt hat. Das gilt insbesondere für die Rümpfe, welche die Piloten beherbergen und daher eine große Bedeutung bezüglich der Sicherheit haben. Die Festigkeit der Rümpfe muss daher in Belastungsversuchen nachgewiesen werden.

Dies gilt auch für den SB 15-Rumpf, welcher sich auch Tests unterziehen muss. Eigens dafür gebaut wurde in den letzten Jahren ein Bruchrumpf. In zwei Versuchen muss dieser Rumpf zeigen, dass er den Ansprüchen der Zulassungsvorschrift gerecht wird, und den im Flug maximal auftretenden Lasten standhalten kann. In den Versuchen wird zunächst im ersten Versuch der Hinterrumpf getestet, bevor in dem zweiten Versuch der Vorderrumpf kontrolliert bis zum Bruch belastet wird.

Die Vorbereitungen für die Versuche laufen bereits seit Ende 2019, als der Rumpf noch gar nicht komplett fertig gestellt war. Begonnen hat alles mit der Auswahl der kritischen Lastfälle, welche in den Versuchen nachgebildet werden.

Von den Lastfällen zur Prüfkraft

Die Frage ist zunächst, was überhaupt geprüft werden muss. Die kurze Antwort ist natürlich der gesamte Rumpf. Konkret kann man den Rumpf aber gedanklich in zwei Abschnitte unterteilen, welche aufgrund ihrer Funktion auch grundlegen verschieden belastet werden.

Zum einen ist dort der Hinterrumpf inklusive des Flügelanschlusses, welcher die Leitwerkskräfte tragen muss. Zum andern gibt es den Vorderrumpf, also das Cockpit, welches für die Sicherheit der Piloten sorgen muss. Für beide Bereiche müssen die dimensionierenden Lastfälle ermittelt werden, aus denen dann einzelne Kräfte für den Versuch abgeleitet werden.

Bei dem Flügel ist die Frage der Belastung schnell geklärt. Dort gibt es durch den Auftrieb, welcher etwa 150-mal so groß ist wie der Widerstand eine klare Belastungsrichtung. Bei dem Rumpf sieht die Situation im hinteren Bereich anders aus. Der Leitwerksträger wird sowohl durch die HLW, als auch durch die SLW Kräfte belastet. Beide Kräfte liegen in der gleichen Größenordnung, so dass keine Richtung vernachlässigt werden darf. Der Rumpf muss daher schon einmal mindestens in zwei unterschiedlichen Richtungen belastet werden. Dazu kommt, dass die Einzelnen Richtungen selten alleine auftreten und auch die Zulassungsvorschrift fordert, das manche SLW und HLW Kräfte gleichzeitig getragen werden müssen.

Zur Auswahl stehen bei der SB 15 insgesamt über 400 Lastfälle, welche verschiedene Flugsituationen abbilden. Von diesen 400 Fällen müssen für den Versuch diejenigen ausgewählt werden, welche im Rumpf die geringsten Sicherheitsreserven hervorrufen. Wie sich gezeigt hat, ist dies ein nicht ganz einfacher und im Hinblick auf die Zulassung langwieriger Prozess.

Gerade für den Hinterrumpf ist es dabei nicht möglich allein anhand der angreifenden Kräfte und Beschleunigungen den kritischen Lastfall vorherzusagen. Dadurch, dass neben einer Biegung durch das Höhen- oder Seitenleitwerk auch häufig eine Torsion entsteht, wird die Rumpfschale in mehreren Richtungen gleichzeitig belastet. Dieser mehrachsige Spannungszustand muss im Detail ausgewertet werden, um sagen zu können, wie schlimm dieser für die Rumpfschale ist. Nach einer Vorauswahl von kritischen Lastfällen wurden so zwei Lastfälle für den Versuch identifiziert, welche für den Rumpf dimensionierend sind und in dem Versuch abgebildet werden sollen.

Gewonnen hat dabei ein Abfangvorgang, bei dem gleichzeitig das Seitenruder betätigt wird, und eine Böe, welche im Flug auf das Seitenleitwerk trifft. Beide Lastfälle werden nach einander in einem Versuchsaufbau bis zur sicheren Last belastet. Die sichere Last ist dabei die maximal im Flug zu erwartende Belastung. Der Rumpf darf daher in dem Versuch keinesfalls versagen. Stattdessen muss der Rumpf nach dem Entlasten wieder in seine Ursprungslage zurückkehren und darf keine bleibenden Verformungen aufweisen.

Bei dem Vorderrumpf ist die Situation etwas einfacher. In den Versuchen soll die Überlebenszelle der Piloten abgebildet werden. Simuliert wird daher ein Einschlag des Rumpfes mit der Nase voran. Dieser Lastfall ist sehr eng vorgegeben und muss im Versuch abgebildet werden.

Nachdem die Lasten bekannt sind wurden die Versuche konstruiert und mit dem LBA und dem DLR abgestimmt. Die Konstruktion wurde während des Lockdowns komplett im Homeoffice durchgeführt, was aufgrund der vorhandenen Zeit den positiven Nebeneffekt einer sehr umfangreichen Dokumentation hat. So füllen die erstellten Nachweise und Zeichnungen inzwischen locker einen breiten Leitz-Ordner.

Das große Schweißen

Sobald der Werkstattbetrieb in der Akaflieg wieder möglich war, wurde zunächst schnell der Bruchrumpf fertig gestellt. Nachdem der gesamte strukturelle Ausbau des Mittelrumpfes in knapp drei Monaten vor Weihnachten noch 2019 durchgeführt wurde, musste der Ausbau des Vorderrumpfes Coronabedingt noch warten. Aber auch die letzten Spante haben inzwischen den Weg in den Rumpf gefunden, genauso wie ein Dummy-Seitenleitwerk, um die Versuchskraft mit den korrekten Hebeln in den Rumpf einleiten zu können.

Die Versuchsaufbauten an sich bestehen ausschließlich aus Stahl. Da die Konstruktion unter dem Motto stand, dass der Rumpf und nicht die Helling getestet werden soll, fällt die Stahlkonstruktion entsprechend massiv aus und erinnert teilweise eher an Schiffsbau, als an Leichtbau. Nach der Stahllieferung der massiven Profile, welche sich normalerweise nicht in unsere Werkstatt verirren, liefen daher für eine Woche die Metallverarbeitungsmaschinen in der Akaflieg auf Hochtouren, um in Windeseile alle Stahlprofile für den Versuch zuzusägen, zu drehen und zu fräsen. Unsere gute alte Kappsäge hat dabei neben der Flex schnell unsere Vakuumpumpe als Mitarbeiter des Monats abgelöst.

Ein Großteil der Teile sind allerdings Laserteile, welche außer Haus gefertigt werden. Durch die aus Platten zusammen gesetzten Bauteile erinnert der Zusammenbau daher an einigen Stellen fast ein bisschen an Lego und geht entsprechend schnell. Nach zwei Wochen waren die Versuche bereits erkennbar und das meiste zusammengebaut.

Nach dem spanhebenden Verfahren folgen die fügenden Verfahren. So wurden für beide Versuche insgesamt über 8 kg Elektroden und eine knappe Rolle Schweißdraht verbraucht. Im Anschluss daran stand die Ernüchterung, dass bei hohem Wärmeeintrag auch immer Verzug nicht weit entfernt ist. Bei großer Hitze und großen Bauteilen ist der Verzug auch entsprechend groß. Auf die fügenden Verfahren folgte daher bedarfsgerecht noch eine Runde umformender Fertigungsverfahren, um die Bauteile durch Flammrichten wieder in die richtigen Toleranzen zu rücken.

Flammrichten des Gestells für den Belastungsversuch

Nachdem beide Versuch in unserer Werkstatt einmal trocken mit dem Rumpf aufgebaut wurden, um zu versichern, dass sich alles montieren lässt wurden die Gestelle abschließend lackiert und bis zum Starttermin eingelagert.

Kabel wohin das Auge reicht

Am 1. Oktober war es endlich soweit und der Rumpf konnte mit dem ersten Versuch ein paar hundert Meter weiter beim Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik des DLR einziehen, welches uns bei der Durchführung der Versuche unterstützt. Auch die defekten Lastenaufzüge, ein Hallenneubau und eine Brandschutzsanierung sowie mehrere Löcher vor dem einzigen Hallenzugang konnten den Umzug nur wenig verzögern.

Im Institut angekommen wurde umgehend begonnen den Belastunsgversuch des Hinterrumpfes aufzubauen. Der Rumpf wurde vor Ort anschließend umfangreich instrumentiert, um das komplette Verhalten genau bestimmen zu können.

In dem Versuch wurde die Verformung des Rumpfes über dutzende Dehnungsmessstreifen überwacht, welche leider alle ein eigenes Kabel benötigen. Nach dem Kleben und Verlöten der Sensoren wurden daher alle Sensoren mit einem Kabel ausgestattet, so dass am Ende ziemlich genau 300 m Kabel in dem Messaufbau verbaut sind.

Nach dem finalen Ausrichten des Rumpfes wurde alles ordentlich festgespannt, so dass nun das Tempzelt aufgebaut werden kann. Der Rumpf soll es beim Versuch nämlich schön warm haben. Auf ganze 54°C soll der Versuch geheizt werden, um die Hitze durch die Sonneneinstrahlung zu simulieren. Schön eingepackt konnte dann der erste Versuch durchgeführt werden.